15.02.2023

„Neu“ im Aufsichtsrat der Karlsruher Stadtmission: Horst Ernst übernimmt Vorsitz

Seit mehr als 20 Jahren ist Horst Ernst im Aufsichtsrat der Ev. Stadtmission Karlsruhe ehrenamtlich tätig. Ende 2022 übernahm der 69-Jährige den Vorsitz des Gremiums. Im Kapellen-Gespräch geht es um Anekdoten, Veränderungen und neue Herausforderungen.

Herr Ernst, Sie könnten doch eigentlich Ihren Ruhestand genießen, stattdessen engagieren Sie sich in der Gemeinde, für einen Hofladen und die Stadtmission Karlsruhe – woher kommt dieser Antrieb?

Meine Frau und ich – wir sind schon seit ewigen Zeiten verheiratet – sind beide im Ruhestand und wir genießen das Leben. Dazu gehört auch das Engagement, das machen wir beide sehr gern.

Ich bin seit 2018 im Ruhestand, war lange Jahre in leitender Funktion bei einer Karlsruher Bausparkasse. Jetzt habe ich eben noch meine Hobbys: In der Gemeinde bin ich aktiv, darf dort auch mal predigen. Zweimal in der Woche helfe ich wie meine Frau in einem Hofladen aus; ich beliefere u. a. ältere Menschen mit ihren Einkäufen. Ich mache gerne Holzarbeiten, werkle im Haus rum. Und dann ist da noch die Stadtmission. (lacht) Sie gehört seit vielen Jahren wie selbstverständlich zu meinem Leben, ja, sie ist über die Jahre hin Teil, ein wichtiger Teil meines Lebens geworden.

Von daher war die Übernahme des Vorsitzes fast eine logische Konsequenz, wohl eher eine Berufung. Ansonsten machen meine Frau und ich uns das Leben im Ruhestand trotz aller Aufgaben so angenehm wie möglich und ehrenamtliches Engagement gehört für uns wie Luft zum Atmen dazu.

Wie kam es zu Ihrem Engagement bei der Stadtmission?

Meine Frau hat im Diakonissenkrankenhaus gearbeitet und der damalige Chefarzt der Reha-Geriatrie hat meine Frau angesprochen, ob ich als Zahlenmensch nicht Lust hätte, in den Aufsichtsrat der Stadtmission zu kommen. Sie hat mich gefragt und ich habe spontan zugesagt – ohne zu wissen, was auf mich zukommen wird und ohne zu wissen, was das Wesen der Stadtmission ausmacht. Ich habe mich dann unverbindlich mit dem damaligen Vorsitzenden getroffen und ich habe wohl den Eignungstest bestanden (lacht). Zur nächsten Sitzung wurde ich eingeladen und auch direkt in den Aufsichtsrat berufen. Das ist nun über 20 Jahre her und so bin ich in die Stadtmission „reingerutscht“.

Wie war diese erste Zeit für Sie?

Am Anfang habe ich einfach nur zugehört, um zu erfahren, was die Stadtmission macht und wie sie tickt. Was ich relativ schnell erkannt habe ist, dass es nicht so toll um die Stadtmission bestellt war. Das Finanzielle lag damals im Argen. Es gab in den Häusern Investitionsstaus, wir wussten nicht, ob man die Häuser so weiterführen konnte. Gott sei Dank haben wir es geschafft – mit Gottes Hilfe und viel Gottvertrauen – das dann in gute Bahnen zu lenken. Ich muss sagen, heute bin ich froh, dass wir eine andere Ausgangssituation haben und die Stadtmission sehr gut dasteht.

Wie nehmen Sie mittlerweile die Stadtmission Karlsruhe wahr?

Ich bin zwar schon lange dabei, aber jetzt bzw. schon seit ich dem sogenannten Präsidium angehöre, kann ich es noch etwas intensiver beschnuppern. Also seit ich im Präsidium und im Ruhestand bin. Ich nehme die Stadtmission sehr positiv wahr. Sie ist ein lernendes Unternehmen, alle sind bereit, neue Dinge aufzunehmen, weiterzudenken, zu entwickeln. Wir wollen immer einen Schritt voraus sein.

Und was mir besonders in der Corona-Zeit aufgefallen ist: Es gibt einen unwahrscheinlichen Zusammenhalt. Damit sind wir doch relativ gut über diese Krisenzeit gekommen. Es gibt, so habe ich das Gefühl, ein sehr gutes Miteinander, auch zwischen den Führungsebenen und den Mitarbeitenden. Da wird nicht unterschieden, ob jemand in der Pflege oder in der Reinigung oder sonst wo arbeitet, jede, jeder ist gleich wichtig und wertvoll. Das gefällt mir besonders gut und das spiegelt sich hoffentlich auch in der Außenwahrnehmung wider.

Was hat sich in den zwei Jahrzehnten, die Sie nun Einblick in die Stadtmission haben, bisher verändert?

Was hat sich verändert… Ich glaube, im Umgang miteinander hat sich viel getan. Und ich habe gemerkt, dass bei der Stadtmission ein frischerer Wind weht.

Außerdem hat sich verändert, wie die Stadtmission intern tickt, dass sie sehr darauf bedacht ist, dass die Mitarbeitenden als Gesamtgebilde gesehen werden. Die langjährigen Mitarbeitenden sind genauso wichtig wie die neuen Mitarbeitenden, die bei uns anfangen. Da beobachte ich auch, dass sich hier etwas bewegt und dass allen gleich wertschätzend begegnet wird. Die Mitarbeitenden sind unser größtes Kapital. Mit diesem gilt es zu wuchern, sie zu hegen und zu pflegen.

Dass der Vorstand dies sich als eine wesentliche Aufgabe auch für 2023 vorgenommen hat, das freut mich besonders und unterstütze ich gern. Ja, das gefällt mir und motiviert auch mich mein Bestes für unsere Stadtmission zu geben. Eins ist mir noch wichtig: für den Vorstand und seine Anliegen möchte ich jederzeit ein offenes Ohr haben und bei Bedarf als Sparringspartner stützend und helfend zur Verfügung stehen. Mir liegt sehr viel an einer vertrauensvollen und offenen Zusammenarbeit, an einem guten Mit- und Füreinander, aber auch an einer klaren Aufgabenabgrenzung.

Und wo muss sich noch etwas verändern?

Wir sind ja bereits auf dem Veränderungswege. Wir, der Aufsichtsrat, die Mitgliederversammlung, der Vorstand, wollen die Stadtmission in eine sichere Zukunft führen. Man sieht ja, wenn Krisenzeiten kommen, was da alles passieren kann, finanziell gesehen. Wenn wir nicht gestützt worden wären, würde man heute vielleicht auch von einer anderen Ausgangssituation reden. Aber dadurch, dass der Staat Hilfen angeboten hat und wir auch die Hilfen nehmen konnten, hat sich vieles positiv für uns entwickelt.

Die Stadtmission hat einen christlich-diakonischen Auftrag, was auf dem Markt nicht mehr so oft vertreten ist. Und wir sind regional stark vertreten, das kann man auch als Benefit nach außen zu bringen. Also mehr in die Öffentlichkeit strahlen und uns als Pflegeträger aber auch als guten Arbeitgeber positionieren, da muss sich etwas tun und das passiert zum Glück auch schon.

Worauf freuen Sie sich in Ihrer neuen Position als Vorsitzender im Aufsichtsrat?

Es wird auf jeden Fall spannend, sag ich mal. Wir haben jetzt ein sehr intensives Jahr vor uns. Einerseits möchten wir die Stadtmission zukunftsfähig aufstellen. Andererseits möchten wir die Stiftung in die Öffentlichkeit bringen, wahrgenommen werden, denn die Stiftung spiegelt eigentlich, so glaube ich, am besten das, was wir eigentlich tun wollen und tun. „Wir helfen Menschen“ heißt die Stiftung und das ist auch unsere Hauptaufgabe, auch der der Stadtmission Karlsruhe. Menschen in besonderen Lebenssituationen zu helfen, sie zu begleiten, gut zu begleiten und dann auch letztendlich an das Ziel zu bringen. Das, denke ich mal, ist unsere wesentliche Aufgabe und das wird herausfordernd.

Dass dies nicht nur Spaß bringen wird, weiß ich, aber auf jeden Fall ist es eine sehr tolle Aufgabe, das begleiten und mitgestalten zu dürfen. Und im Übrigen ich bin kein Einzelkämpfer, sondern ein Teil kompetenter und engagierter Gremien. Dass mir die Leitungsfunktion anvertraut wurde, das sehe ich zum einen als Ehre, zum andern aber als Ansporn dieser Aufgabe gerecht zu werden. Denn ich schätze sehr die unterschiedlichen Befähigungen, Gaben und Biografien und vor allem, dass uns in aller Vielfalt eines eint: Der Stadtmission Bestes zu suchen, wie es uns die Gründerväter ins Stammbuch geschrieben haben. Dass dies gelingt dafür möchte ich mich verwenden.

Gibt es eine Anekdote aus Ihrer Zeit im Aufsichtsrat?

Ich habe gleich in meiner ersten Sitzung „Lehrgeld“ bezahlt. (lacht) Ich bin mit dem Auto hergefahren, dachte mir, ich parke mal im Parkhaus des ehemaligen Kaufhauses Schneider. Ich stellte also mein Auto ab, nicht wissend, wie lange so eine Sitzung dauern würde. Diese begann um 18 Uhr. Und wie es so üblich ist, nun ja, es hat um einiges länger gedauert, als gedacht. Irgendwann bin ich dann so gemütlich zurückgelaufen, wollte mein Auto holen – aber die Garage hatte zu und ich stand draußen vor verschlossener Tür. Ich habe auch niemanden gefunden, der mir hätte helfen können. Ich habe dann versucht, meine Frau anzurufen, die war noch nicht zu Hause. Irgendwann habe ich dann den Mann meiner Nichte erreicht, der mich schließlich abgeholt hat. Am nächsten Morgen hat mich meine Frau hergefahren, ich konnte das Auto auslösen und weiterfahren. Ja, das war so meine erste Erfahrung im Aufsichtsrat der Stadtmission. (lacht)

Was bedeutet Pflege für Sie?

Pflege für mich bedeutet nicht nur die Grundbedürfnisse befriedigen, wie Essen und medizinische Versorgung, sondern auch das Zwischenmenschliche, den Menschen als Ganzes mit seinen Gefühlen, Erwartungen, Befürchtungen wahrnehmen. Dies gilt sowohl für die Bewohner:innen als auch deren Angehörige. Dafür Zeit zu haben, finde ich unwahrscheinlich wichtig, ja erforderlich. Ich glaube, das kommt in unserer Gesellschaft etwas zu kurz, geht verloren.

Ich bin jetzt auch jemand, der mit Digitalisierung groß geworden ist und auch im Arbeitsleben damit gelebt hat. Aber das sehe ich einfach ein Stück Entmenschlichung auch drin. Da geht ein Stück dessen verloren, was das Miteinander ausmacht, nämlich die Gemeinschaft, die persönliche Wahrnehmung, das Miteinander und der Zusammenhalt. Wenn man nur noch über Systeme, über Eingaben, über Daten kommuniziert und nicht mehr von Angesicht zu Angesicht beieinandersitzt und miteinander redet. Daher habe ich ein wenig Skepsis davor, mal von einem Roboter gepflegt zu werden. Hilfestellungen ja, aber es braucht ebenfalls die menschliche Zuwendung und Betreuung und die persönliche Ansprache.

Wenn Sie an Pflege denken, was wünschen Sie sich denn von der Politik?

Die finanzielle Unterstützung, gerade diese sollte, muss sich für die Bewohner:innen verbessern. Wir haben eine Pflegeversicherung, die einen Teil abdeckt, aber ich denke mal, dass der Anteil, der auf die Einzelnen entfällt, noch viel zu hoch ist. Das kann man, wenn man die Renten, Pensionen usw. anschaut, fast nicht mehr stemmen. Viele müssen daher ihre Angehörigen zu Hause pflegen, weil sie es finanziell nicht meistern können. Ich denke, da muss sich was tun.
Bereits angesprochen habe ich die Rahmenbedingungen, dass man die Dokumentation in dem Ausmaß zurückfährt, dass die Arbeit mit und an den Zupflegenden wieder in den Mittelpunkt stellt.

„Altwerden ist nichts für Feiglinge“ heißt ein berühmtes Zitat. Haben Sie Angst vor dem Älterwerden?

Nein, ich bin eigentlich kein ängstlicher Typ. Ich lebe zielbewusst. Ich fühle mich geborgen in meinem Glauben, von daher weiß ich, was am Ende sein wird. Natürlich macht man sich Gedanken: „Wie lange wird der Geist, der Körper funktionieren? Werden die verschiedenen Gliedmaßen mitmachen? Wie lange wird man selbstbestimmt leben können?“

Angst habe ich nicht, aber Respekt davor, das muss ich schon sagen. Ich kenne es bereits: Meine Frau und ich haben unsere Eltern begleitet, das war eine große Herausforderung, die wir zu bewältigen hatten. Daher wünsche ich mir, so lange es geht selbstbestimmt leben zu können. Und ich habe Respekt und größte Anerkennung für die Menschen, die in der Pflege arbeiten und alle Pflegenden.

Über Horst Ernst:

  • Geboren 1954, lebt in Stutensee
  • Verheiratet, keine Kinder
  • Ehemaliger Abteilungsleiter und Prokurist bei der Deutschen Bausparkasse Badenia AG in Karlsruhe
  • Hobbys im Ruhestand: Soziales Engagement und Heimwerker, freie Zeit genießen mit meiner Frau