29.11.2022

Nach 10 Jahren: Hermann Rüdt aus Aufsichtsrat verabschiedet

Seit zehn Jahren war Hermann Rüdt im Aufsichtsrat der Ev. Stadtmission Karlsruhe. Jetzt geht der ehemalige Abteilungsleiter im Finanzreferat beim Ev. Oberkirchenrat endgültig in den wohlverdienten Ruhestand. Altershalber scheidet er aus dem Aufsichtsrat aus. Ein Rückblick auf die Veränderungen und Herausforderungen der Stadtmission.

Herr Rüdt, Sie waren nun zehn Jahre, eine Dekade, bei der Stadtmission – wie sind Sie zu diesem Amt im Aufsichtsrat gekommen?

Diese Verbindung kam schon zustande, da war ich noch beim Oberkirchenrat in Karlsruhe tätig. Die Stadtmission war mir insofern ein Begriff, als die Geschehnisse der „Steffi“ (Hausbesetzung) bis zu uns ins Amt getragen wurden. Und Herrn Dr. Michel kannte ich, da war er noch in Freiburg beim Stift. Da gab es also schon die ersten Bezugspunkte.

Vor meinem Ruhestand im Oberkirchenrat kam Dr. Michel dann auf mich zu und hat mich gefragt, ob ich mir das vorstellen könnte, in den Aufsichtsrat zu kommen. Ganz harmlos sei das, drei Mal im Jahr gäbe es eine Sitzung (lacht).

Ja, dachte ich, das ist ok und vielleicht nicht schlecht, wenn ich mich ehrenamtlich im Ruhestand engagiere. Und so wurde ich dann berufen. Nach der dritten Sitzung, bei der ich dabei war, hat der damalige Aufsichtsratsvorsitzende aus gesundheitlichen Gründen sein Amt niedergelegt und so wurde ich nach einem Jahr der neue Vorsitzende in diesem Gremium. Warum man mich berufen hat oder zum Vorsitzenden gewählt hat, das erschließt sich mir bis heute nicht (lacht). Aber die zehn Jahre, die ich nun hier war, die möchte ich auf keinen Fall missen. Das waren gute Jahre, in denen ich hier mitarbeiten durfte. Ich habe dieses Amt keine Sekunde bereut!

Wie nehmen Sie die Stadtmission wahr?

Die Stadtmission Karlsruhe hat so ein außergewöhnliches und umfangreiches Angebot, wie man es in der badischen Diakonie selten findet. Da ist man hier sehr breit aufgestellt.
Die Karlsruher Stadtmission hat eine herausragende Geschichte: Die Ambulante Pflege, die Arbeit mit Menschen mit Behinderungen, Stationäre Pflege oder die Angebote Betreutes Wohnen, Betreuung von psychisch Erkrankten sowie das Quartiersmanagement in Stutensee. Nicht zu vergessen die Hauswirtschaftliche Ausbildung – all das unterscheidet uns von den gewinnorientierten privaten Anbietern in der Pflege. Das ist ganz klar unser Vorteil.
Und wir haben uns der christlichen Nächstenliebe verpflichtet. Der christliche Auftrag ist die Grundlage der Stadtmission.

Ich nehme die Stadtmission außerdem als einen Träger wahr, der auf einen respektvollen Umgang mit den Mitarbeitenden größten Wert legt, auch in den Teams untereinander. Das ist während der Corona-Pandemie deutlich geworden. Da haben die Mitarbeitenden hier ungeheures geleistet! Auch unser Missionar, der auf die Straße gegangen ist und vor den Einrichtungen das Wort Gottes zu den Menschen verkündet hat. Alles zusammengefasst ist die Ev. Stadtmission Karlsruhe einzigartig!

Was hat sich in den vergangenen Jahren bei der Stadtmission verändert?

Oh, da hat sich viel getan. Wir haben ein Präsidium installiert, das sich einmal im Monat mit dem Vorstand trifft. Das macht die Arbeit noch transparenter. Das Zusammenspiel Vorstand, Aufsichtsrat und Mitgliederversammlung war aber schon immer eine gute Zusammenarbeit. Das ist nicht selbstverständlich.

Ein weiterer großer Einschnitt war die Übernahme der Ev. Sozialstation. Die stand damals kurz vor der Insolvenz. Jetzt hat die Sozialstation mit Sitz in Rüppurr einen fachkompetenten Geschäftsführer und eine Pflegedienstleitung, die ihren Job nicht nur als Job sehen, sondern als Erfüllung.

Was sich ebenfalls stark verändert hat ist die Art der Mitarbeitendenführung, das hat sich deutlich verbessert. Das liegt auch daran, dass es bei der Stadtmission nun seit über 10 Jahren einen hauptamtlichen Vorstand gibt. Mit einem ehrenamtlichen Vorstand war es damals nicht möglich, eine gelungene und professionelle Mitarbeiterführung zu etablieren. Ich sehe da das neue Vorstandsduo Wolfgang Betting und seinen Stellvertreter Reiner Hellwig auf einem guten Weg.

Was sich glücklicherweise nicht verändert hat ist der hohe Qualitätsstandard in den Einrichtungen. Das verdanken wir den Mitarbeitenden, die ihre Aufgaben sehr ernst nehmen und professionell und liebevoll die Bewohner versorgen. Ein Danke an alle, die bei der Stadtmission Karlsruhe arbeiten, ob Pflege, Verwaltung, Küche, Hauswirtschaft. Sie alle tragen zu diesen hervorragenden Ergebnissen beim, was die jährlichen Prüfungen seitens der Aufsichtsbehörden bestätigen

Wie würden Sie Ihren Schwerpunkt bei der Arbeit im Aufsichtsrat beschreiben?

Ein Kernpunkt in meiner Zeit im Aufsichtsrat und als Vorsitzender war – und wird es bei meinem Nachfolger auch sein – die Zukunftsfähigkeit der Karlsruher Stadtmission zu erhalten. Sie ist eine große Einrichtung mit etwa 500 Mitarbeitenden, die sich gegen immer mehr Konkurrenz durchsetzen muss. Daher war es mir persönlich und den Verwaltungsorganen ein Grundanliegen, dass wir die strategische Steuerung neu ausrichten.
Ein erster Schritt dazu war die Gründung der Stiftung „Wir helfen Menschen“, einer Stiftung für die Ev. Stadtmission Karlsruhe. Stiftungsgründerin war unsere Tochtergesellschaft, die Ev. Sozialstation Karlsruhe. Das langfristige Ziel der Stiftung ist die Sicherung und der Erhalt des Vermögens der Stadtmission. Damit sichern wir u.a. die Zukunft der Stadtmission. So hoffe ich, dass mit Gottes Hilfe, die Karlsruher Stadtmission über Jahrzehnte bestehen kann.

Herr Rüdt, jetzt, nach zehn Jahren, scheiden Sie aus dem Aufsichtsrat aus. Gehen Sie mit einem lachenden und einem weinenden Auge in den Ruhestand?

Ich höre satzungsbedingt auf, mit 75 Jahren habe ich die Altersgrenze erreicht. Das ist auf der einen Seite sicherlich sinnvoll, aber ich fühle mich fit, ich hätte noch ein paar Jahre machen können. Viele schaffen es ja nicht rechtzeitig aufzuhören. Aber man soll bekanntlich gehen, wenn es am schönsten ist! (lacht)

Ich hätte gerne noch den Umstrukturierungsprozess begleitet und zu Ende gebracht – aber jetzt ist es so. Ich werde die Entwicklungen der Stadtmission Karlsruhe aus der Ferne beobachten.

Was wünschen Sie sich von der Politik für die Pflege?

Ich wünsche mir, dass die Politik besser zuhört, was die Fachleute ihnen vorschlagen, wenn sie aufzeigen, wo es klemmt. Dass die Regelungswut ein Ende nimmt und zurückgenommen wird, damit die Pflegekräfte ihre Arbeit machen können – nämlich pflegen.
Ich habe aber leider wenig Hoffnung. Es ist ein Drama, was sich da in Deutschland abspielt, was diese Prozesse und Regelungen angeht. Wir meinen, wir könnten alles besser, weil wir in den letzten 70 Jahren in Europa wirtschaftlich dominant wurden. Diese Zeiten sind jedoch vorbei und wenn wir uns nicht fangen, kann das nach hinten losgehen. Davor habe ich Angst!

Es gibt das berühmte Zitat „Alt werden ist nichts für Feiglinge“. Haben Sie Angst vor dem Älter werden?

Nein. Was mir Sorgen macht ist die Frage, wie ich mein Ende erlebe. Schaffe ich es einigermaßen erträglich für mein Umfeld vom Herrn abberufen zu werden? Oder lande ich in der Demenz? Das konnte ich bei vielen Menschen in den letzten Jahren beobachten. Vor so einer Entwicklung hätte ich Angst. Dafür bete ich um Gottes Hilfe und Beistand, dass er mich nicht in diese Richtung alt werden lässt.

Über Hermann Rüdt:

  • Geboren 1947, in Mosbach/Odenwald
  • Seit 1968 im Evangelischen Oberkirchenrat in Karlsruhe, zuletzt im Finanzreferat als Stellvertreter des Referenten Geschäftsleitung und Finanzen
  • Verheiratet, zwei Kinder, vier Enkel
  • Verbringt gerne Zeit im Garten